unHEIMlich schön
Malerei I Grafik I Collage I Fotografie
Stickerei I Textilkunst I Keramik
Installation
Bei diesem ortsbezogenen Projekt setze ich mich mit den Plattenbauvierteln in Greifswald, also den sozial schwachen Wohnräumen der Stadt auseinander. Nicht nur die Altstadt, die sich den Namen und das Erbe des Malers Caspar David Friedrich zunutze macht, sollte saniert und für gutsituierte Bürger_innen und Tourist_ innen attraktiv bleiben, sondern auch die Randgebiete, in denen schließlich die meisten Menschen der Stadt leben.
Eine unheimliche Schönheit wohnt der Ästhetik der Plattenbauten inne. Ich selbst bin in Plattenhäusern in Naberežnye Čelny in Russland geboren und aufgewachsen (zu Sowjetzeiten hieß die Stadt Brežnev). Diese Stadt wurde als Zukunftsideal, als Musterbeispiel des kommunistischen Urbanismus gebaut.
Laut der UN-Frauenrechtskommission wird es voraussichtlich 300 Jahre dauern, bis Frauen weltweit die gleichen Rechte wie Männer genießen. In Deutschland sind viele Frauen von Altersarmut bedroht. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, nicht nur den Gender Pay Gap von 18 Prozent und den Gender Pension Gap von 30 Prozent zu schließen, sondern auch den Gender Gap Arbeitsmarkt von 39 Prozent und den Gender Care Gap von 43,8 Prozent zu überwinden, wie das Statistische Bundesamt berichtet. Frauen verdienen nicht nur weniger und sind häufiger in Teilzeit beschäftigt, sondern übernehmen auch den Großteil der Kinderbetreuung, der Pflege älterer Menschen und der Hausarbeit. Eurostat-Daten zeigen, dass nur 29 Prozent der Männer in Deutschland sich mit Kochen und/ oder Putzen beschäftigen, im Vergleich zu 72 Prozent der Frauen. Die politische Aktivistin Silvia Federici betrachtet unbezahlte Hausarbeit als eine Form der geschlechtsspezifischen wirtschaftlichen Unterdrückung und Ausbeutung, die die Grundlage des Kapitalismus bildet. Frauen sind gezwungen, eine "zweite Schicht" zu Hause zu übernehmen und "aus Liebe" unsichtbare Arbeit zu leisten, wie Arlie Hochschild 1989 feststellte. Zusätzlich zur häuslichen Last tragen Frauen die kognitive und emotionale Last, die Pflege ihrer eigenen Schönheit und weitere Schönheitspraktiken, was oft als "triple shift" bezeichnet wird. "Das Private ist politisch", wie Carol Hanisch 1970 erklärte.
Die Coronavirus-Pandemie hat die bestehenden Geschlechterungleichheiten in der Gesellschaft deutlich gemacht und gezeigt, auf wessen Kosten die Wirtschaft floriert. Es ist klarer denn je, dass Ehe und Mutterschaft für Frauen ein Verlustgeschäft darstellen. Dies bedeutet nicht nur das Ende ihrer Karriere, sondern auch den Verlust ihrer körperlichen und geistigen Gesundheit, den Verlust ihrer Identität, soziale Isolation, finanzielle Abhängigkeit, Stigmatisierung in Gesellschaft und Familie, oft Gewalt in und nach der Ehe, Armut nach der Trennung und Altersarmut. Der Mythos, dass eine Frau heiraten und Kinder bekommen muss, um glücklich zu sein, ist eine Verschwörung des Schweigens, eine Täuschung des Patriarchats, um sie weiterhin schamlos als kostenlose Arbeitskraft für den Profit zu nutzen. Aber wen kümmert das schon?! WHO CARES?!
Die Installation „Münzzeitgeber. 6 Minuten" besteht aus einem Fotodruck auf großformatigem Textilstoff sowie Zimmerpflanzen. Die vergrößerte Fotografie auf durchsichtigem Stoff symbolisiert die gesellschaftliche Ignoranz gegenüber dem massiven Problem von häuslicher Gewalt an Frauen und Kindern. Die rosafarbene Stickerei steht für die Tränen und Leiden missbrauchter Opfer.
Die Zimmerpflanzen sind eine Metapher für die Frauen und Kinder, die auf die Hilfe der Gesellschaft angewiesen sind. Denn ohne Sonne und Wasser vergehen Pflanzen ähnlich wie Gewaltopfer ohne Unterstützung. Im Rahmen der Ausstellung werden die Besucher dazu aufgefordert, eine Patenschaft für eine Pflanze zu übernehmen, sie zu pflegen. Im Laufe von zwei Monaten kann man das Welken „obdachloser“ Pflanzen beobachten wie auch, umgekehrt, die unter Patenschaft stehenden Pflanzen betrachten, die ihre Kräfte zurückgewinnen und allmählich zum Leben erwachen. Dieser partizipative Prozess wird dokumentiert.
Diese Arbeit ist Teil des Projekts “Sag mir, wo die Blumen sind?” basierend auf dem Liedtext des amerikanischen Dichters und Sängers Pete Seeger in seiner deutschen Fassung von Max Colpet, gesungen 1962 von Marlene Dietrich. “Was ist geschehen?” ist eine Zeile aus diesem Lied, das eine Interpretation des Donkosaken- Wiegenliedes aus Scholochows Roman “Der stille Don” war und zu einem Antikriegssymbol der 1960er Jahre wurde. Die Installation “Was ist geschehen?” besteht aus kleinen roten Keramikflugzeugen, die auf dem Boden in einer dichten Leinwand um eine Textilskulptur in Form des russischen Wortes “ДЕТИ” (“KINDER”) angeordnet sind, äußerlich erinnert es an verletztes menschliches Fleisch.
Die blutroten Flugzeuge erinnern an selbstgebackene Kekse, die Mütter aus Durchschnittsfamilien wie immer sonntags gebacken haben. Als ob es egal wäre, es wird Kekse in Form von Herzen oder Kampfflugzeugen geben, die ja Tod und Zerstörung bringen. Flugzeug-Kekse – ein Hinweis darauf, dass wir selbst nicht bemerken, wie wir den Krieg romantisieren, ihn zu einem alltäglichen Ereignis machen, im Russischen Wörter wie “бомба” (“Bombe”), “огонь” (“Feuer”), “взрыв” (“Explosion”) und andere militaristische Begriffe in friedlichem Kontext verwenden, im Alltag die Augen schließen, offensichtliche Dinge nicht bemerken oder nicht bemerken wollen.
Diese Arbeit ist eine Reaktion auf die gezielte Bombardierung der ukrainischen Entbindungsstation und der Kinderabteilung in einem Krankenhaus im Zentrum von Mariupol durch russische Truppen am 9. März 2022. Durch den Luftangriff wurde das Gebäude des Stadtkrankenhauses N 3 vollständig zerstört, 5 Menschen starben (darunter eine schwangere Frau mit Kind) und mindestens 17 Menschen wurden verletzt.